Einige Länder spritzen schon fleißig. Deutschland erwartet die EU-Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech am 21. Dezember. Bundesgesundheitsminister Spahn sieht keinen Anlass zur Kritik: Die "erste ordentliche Zulassung eines Impfstoffs weltweit" schaffe Vertrauen.
Haben der Lockdown und die strengen Kontaktregeln noch die Vorfreude aufs Weihnachtsfest verhagelt, steigt nun ein hoffnungsvoller Stern aus Amsterdam auf: Noch am 21. Dezember will die dort ansässige Europäische Arzneimittelbehörde (Ema) über eine Empfehlung des Corona-Impfstoffs von Biontech entscheiden. Eine Zustimmung wird erwartet, ebenso von der Europäischen Kommission, die das letzte Wort hat bei der Zulassung für alle EU-Staaten.
Bundesgesundheitsminister Spahn spricht am Mittag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, von einer "guten Nachricht für die Europäische Union". Er geht da noch vom 23. Dezember als Zulassungsdatum aus. "Das wird die erste ordentliche Zulassung eines Impfstoffs weltweit sein." Spahn rechnet mit einer Anlaufzeit von zwei bis vier Tagen für die Impfkampagne. Nach der erfolgten Zulassung werde die an Deutschland gelieferte Charge geprüft. Anschließend beginne die Auslieferung an die Bundesländer, deren Impfzentren ab heute arbeitsfähig sein sollen.
Die Ema hatte bislang kommuniziert, dass die Zulassung bis zum 29. Dezember oder früher erfolgen soll. Weil jeden Tag mehrere Hundert Menschen allein in Deutschland in Zusammenhang mit Covid-19 sterben, macht jeder Tag des Wartens auf eine Zulassung einen Unterschied.
Europa prüft "feinkörniger"
Zumal der Wirkstoff BNT162b2 von Biontech und Pfizer schon seit Tagen in mehreren Ländern gespritzt wird, in Großbritannien, Israel, Kanada und den USA. Allerdings wurden in diesen Ländern Notfallzulassungen ausgestellt. Der Unterschied zur EU: In Europa werde "tiefer in die Daten gegangen", diese würden "feinkörniger geprüft", erläutert Spahn. Die europäischen Behörden würden schauen, "wo es eventuell für bestimmte Gruppen zusätzliche Risiken gibt". Spahn will Vertrauen schaffen, indem er die besondere Umsichtigkeit des europäischen Prüfverfahrens betont.
Die Bundesregierung war zuletzt in die Kritik geraten, warum sie unbedingt das langsamere europäische Zulassungsverfahren abwartet. Schließlich hätte Spahn eine nationale Notfallzulassung im Alleingang vorantreiben können. Grundlage wäre §3 der "Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus Sars-CoV-2 verursachten Epidemie" gewesen. Das Bundesgesundheitsministerium hätte das Paul-Ehrlich-Institut mit der Prüfung einer Notfallzulassung beauftragen können. Das hätte vor wenigen Wochen womöglich auch Sinn ergeben. Jetzt kann die deutsche Behörde die Ema, die vom Paul-Ehrlich-Institut unterstützt wird, nicht mehr überholen.
Die Zweifler im Blick
Für Spahn wäre das aber auch nicht infrage gekommen, wie er beteuert: "Das ist jetzt ein Unterschied von zwei Wochen zwischen einer Notzulassung und einer ordentlichen Zulassung, der unbedingt verantwortet werden kann." Und zwar aus zwei Gründen: wegen des höheren Vertrauens der Bevölkerung in einen ordentlich zugelassenen Impfstoff und wegen der Erwägung, dass ein Wettrennen um den Impfstoff innerhalb Europas Gift für den Zusammenhalt der Europäischen Union gewesen wäre. Kleinere und ärmere Staaten wären hier mutmaßlich unterlegen gewesen. Das sieht der CDU-Politiker nun abgewendet und rügt seine Kritiker: "In der Krise, wenn es tatsächlich darauf ankommt, ziehen einige brutal die nationale Karte."
Spahn sagt, er habe vor allem die Zweifler im Blick, also diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich grundsätzlich impfen lassen wollen, aber noch skeptisch sind ob des völlig neuen Impfstoffs. "Genau dafür machen wir diesen Weg", sagt er. Es gehe um den "Mehrwert, den diese erste ordentliche Zulassung weltweit bringt für Vertrauen und Verlässlichkeit".
Wieler ergänzt, dass der Cosmo-Studie des RKI zufolge 70 Prozent der Menschen, die sich über einen Impfstoff informieren, etwas über die Nebenwirkungen wissen wollten. "Deswegen ist die Prüfung der Unterlagen so wichtig", sagt Wieler. "Wir werden auch die unerwünschten Nebenwirkungen wie Fieber und Schmerzen an der Einstichstelle transparent zeigen. All das ist wichtig, damit das Vertrauen der Bevölkerung da ist." Spahn verweist zudem darauf, dass es eine Stärke sei, dass 27 nationale Zulassungsbehörden mit ihrer ganzen Expertise an der Prüfung beteiligt seien.
Zulassung für ein Jahr
Was Spahn nicht erwähnt: Die Verpackungen des Impfstoffs werden ein schwarzes Dreieck tragen. Dieses Zeichen ist ein Hinweis darauf, dass ein Arzneiprodukt nur eine bedingte Marktzulassung erhalten hat. Das heißt: Die Prüfung ist nicht abgeschlossen und die Zulassung auf ein Jahr begrenzt. Alle Nutzer sind deshalb aufgefordert, jedwede Auffälligkeit zu melden. Das heißt nicht, dass die Zulassung nicht ordentlich erfolgt wäre. Aber es handelt sich eben auch um das Ergebnis eines beschleunigten Prüfverfahrens, das nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts in 150 statt 210 Tagen abgewickelt wurde.
Das schwarze Dreieck wird noch aus einem weiteren Grund auf der Verpackung von BNT162b2 stehen: Die bedingte Zulassung resultiert nicht nur aus der Schnelle des Prüfverfahrens, sondern auch aus dem noch begrenzten Wissen über die Langzeitwirkung des Impfstoffs. Neben möglichen Schäden, deren Wahrscheinlichkeit die Experten offenbar jetzt schon deutlich geringer einschätzen als den Nutzen des Produkts, sind zwei Dinge noch unklar: die Dauer einer Immunisierung und die Frage, ob immune Geimpfte trotzdem Überträger sein können. Das wird sich wohl erst über die Dauer in der Praxis zeigen. Dass Geimpfte nicht auch ein wenig Versuchskaninchen sein werden, was Spahn vehement bestreitet, stimmt daher ebenfalls nur bedingt.
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