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Integration: Zweifelhafter Erfolg der Sprach-Kitas - WELT

Ohne ausreichende Deutschkenntnisse haben Kinder schon am Beginn ihrer Schullaufbahn Nachteile, die sie nur schwer wieder aufholen können. Die sprachliche Kompetenz hat einen erheblichen Einfluss auf den weiteren Bildungsweg und den Einstieg ins Erwerbsleben – besonders für Kinder aus bildungsfernen Familien und Familien mit Migrationshintergrund.

Die Bundesregierung hat deshalb 2016 das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ aufgelegt: Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit besonderem sprachlichem Förderbedarf besucht werden, können daraus 25.000 Euro für eine zusätzliche halbe Fachkraft beantragen, die die „alltagsintegrierte sprachliche Bildung“ als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung etablieren hilft. Insgesamt 900 Millionen Euro hat der Bund dafür von 2016 bis 2020 bereitgestellt.

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Aktuell werden darüber bundesweit 6207 halbe Fachkraft-Stellen in 5980 Sprach-Kitas gefördert. Das teilte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit, die WELT vorliegt.

Wie es darin weiter heißt, wachsen inzwischen mehr als ein Fünftel aller Kita-Kinder in Haushalten auf, in denen vorrangig kein Deutsch gesprochen wird. Demnach stammen von den 3,16 Millionen Kita-Kindern knapp 675.000 aus nicht deutschsprachigen Elternhäusern. Ihr Anteil ist in den vergangenen drei Jahren von 18,7 auf 21,4 Prozent gestiegen.

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Eine spezielle Sprachförderung bekommen dennoch nur die wenigsten von ihnen. In den 5980 geförderten Sprach-Kitas wurden im vergangenen Jahr bundesweit insgesamt 503.209 Kinder betreut. Von ihnen haben 236.202 (47 Prozent) einen Migrationshintergrund. Ein großer Teil der Kinder aus nicht deutschsprachigen Haushalten profitierten also gar nicht von einer speziellen Sprachförderung.

„Zugang zur Sprachförderung muss die Regel sein“

Für die stellvertretende FDP-Vorsitzende Katja Suding ist das ein alarmierender Befund. „Kinder, die zu Hause in ihrer Familie kein Deutsch sprechen, brauchen beim Erlernen der deutschen Sprache Unterstützung, sie haben unsere Hilfe verdient“, sagte sie WELT. „Jetzt kommt heraus, dass die Sprach-Kitas den Großteil der Kinder, die diese Förderung so sehr brauchen, überhaupt nicht erreichen.“

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Die immer wiederkehrenden Betreuungsausfälle während der Corona-Pandemie hätten das Problem zudem noch weiter verstärkt, warnt Suding. Rein rechnerisch kämen auf jede dieser 6207 halben Stellen schon jetzt 81 Kinder. Die geförderten Stellen seien deshalb maximal eine gut gemeinte Verstärkung. „Aber wir brauchen mehr. Der Zugang zur Sprachförderung darf für ein Kind kein Glücksfall sein, er muss die Regel sein.“

Laut Haushaltsentwurf soll das Sprach-Kita-Programm auch in den kommenden zwei Jahren fortgesetzt werden. Für die Fortführung des Programms in den Jahren 2021 und 2022 seien bislang 5763 Anträge von Sprach-Kita-Vorhaben und 464 Anträge von Fachberatungsvorhaben bei der Servicestelle eingegangen, heißt es in der Antwort an die FDP-Fraktion. Der Gesamtbericht der Programmevaluation solle dann nach Beendigung des Bundesprogramms vorgelegt werden.

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Quelle: WELT / Erdmann Hummel

Suding sprach sich hingegen für die Fortführung des Bundesprogramms aus. „Sprach-Kitas sind sehr erfolgreich, wir brauchen noch viel mehr davon, mit verfügbaren Plätzen für besonders bedürftige Kinder. Doch die Mittel aus dem Etat von Bundesfamilienministerin Giffey decken schon die aktuellen Kosten der Sprach-Kitas nicht, fehlende Fachkräfte für weitere Einrichtungen sind damit gar nicht zu finanzieren.“ Hier müsse dringend aufgestockt werden, so Suding. „Bei diesen so wichtigen Investitionen in die Zukunft der nächsten Generationen darf nicht gespart werden.“

In welchen Ländern der Bedarf besonders groß ist

Das Bundesfamilienministerium weist hingegen darauf hin, dass sprachliche Bildung grundsätzlich Aufgabe der Länder sei. Laut Projektbeschreibung soll das Bundesprogramm daher nur den Anschub geben, Sprachförderkonzepte überall in die Breite zu tragen.

Die aus dem Bundesprogramm finanzierten Fachkräfte dienen dabei quasi als Multiplikatoren: „Die zusätzliche Fachkraft ist gemeinsam mit der Kita-Leitung als Tandem dafür verantwortlich, die Einrichtungskonzeption im Hinblick auf alltagsintegrierte sprachliche Bildung, Zusammenarbeit mit Familien und inklusive Pädagogik weiterzuentwickeln“, heißt es dort.

Das Sprach-Kita-Programmm habe inzwischen in bundesweit jeder zehnten Kita „einen wichtigen Impuls gesetzt und die alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil im System der Kindertagesbetreuung verankert“, heißt es aus dem Familienministerium. Dort versteht man das Bundesprogramm als „Anregung“. Inzwischen gebe es in den Bundesländern begleitend auch eigene Initiativen auf Landesebene.

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Besonders groß ist der Bedarf an Sprachförderung in den Ländern mit einem hohen Anteil von Kindern aus nicht deutsch sprechenden Haushalten. Das ist vor allem in Bremen (37,6 Prozent), Hessen (33,9), Berlin (31,4 Prozent), Nordrhein-Westfalen (27,4) und Baden-Württemberg (26,7) der Fall. Das Bundesfamilienministerium setzt deshalb auch generell auf einen frühen Kita-Besuch.

Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hätten gezeigt, dass der Besuch einer Kindertagesbetreuung der Schlüssel zur Integration der gesamten Familie sei, heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. „Gleichzeitig ist die Beteiligungsquote an Angeboten der Kindertagesbetreuung beispielsweise von Kindern mit Migrationshintergrund geringer als die von Kindern ohne Migrationshintergrund.“

Als Zugangshürden werden unter anderem fehlende Informationen über das System der Kinderbetreuung und mangelnde Unterstützung bei der Antragstellung sowie beim Erstkontakt zur Kita genannt. Mit dem 2017 aufgelegten Bundesprogramm „Kita-Einstieg“ sollen diese Hürden beim Übergang in die Regelbetreuung abgebaut werden.

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